08. September 2020

Interview des Monats im IMMOBILIEN Business 09/2020

IMMOBILIEN Business: Herr Murer, Sie sind erst seit wenigen Monaten CEO der Swiss Finance & Property Group. Der Amtsantritt war ungewöhnlich: Wie fühlt es sich an, wenn man das Ruder in einem Lockdown übernehmen muss?

Adrian Murer: Mein Start mit allen Mitarbeitenden im Homeoffice war schon sehr herausfordernd, um das mal so zu sagen. Ich konnte meine Kolleginnen und Kollegen bloss per Videobotschaft begrüssen; die ersten persönlichen Begegnungen waren dann erst nach einigen Wochen möglich. IT-technisch waren wir zwar sehr gut aufgestellt und das Unternehmen hat so weit bestens funktioniert, eine Organisation und Firmenkultur kann man aber ohne persönliche Präsenz nur sehr schwer kennenlernen. Auch ist die virtuelle Zusammenarbeit, die durchaus sehr effizient sein kann, viel einfacher und besser, wenn man sich persönlich kennt. Ich bin daher froh, sind wir nun seit einiger Zeit alle wieder am Arbeitsplatz, und ich konnte mich zwischenzeitlich sehr gut einarbeiten.

Wie ist Ihre Gesellschaft bisher durch die Krise gekommen?

Adrian Murer: Wir sind durch die Kombination von direkten und indirekten Immobilienanlagen solide und diversifiziert aufgestellt. Das indirekte Geschäft war weniger stark betroffen als die direkten Immobilien. Die Verwerfungen an den Fonds- und Aktienmärkten waren aber schon spürbar und haben zusätzlichen Analyseaufwand gefordert. Glücklicherweise sind institutionelle Kunden – zu der die Mehrheit unserer Kunden gehört – langfristig investiert.

Waren Anlagegefässe der SFP Group mit Mietzinsnachlässen konfrontiert?

Adrian Murer: Wir bewirtschaften drei kotierte direkte Fonds mit verschiedenen Ausrichtungen und eine börsenkotierte AG. Bei kommerziell genutzten Liegenschaften haben wir mit betroffenen Mietern das Gespräch gesucht und partnerschaftlich individuelle Lösungen erarbeitet. Wir haben Unterstützung bei Gesuchen geboten, Stundungen gewährleistet und – wo angebracht – Mietzinsreduktionen gewährt. Wir stehen hier im Spannungs- feld zwischen dem Investorenauftrag der Renditeerzielung und dem Anspruch, mit den Mietern ein langfristiges Vertragsverhältnis zu pflegen.

Die Swiss Finance & Property Group hat im August ihren ersten ESG-Bericht veröffentlicht. Warum erst jetzt?

Adrian Murer: Immobilien sind von Natur aus auf Langlebigkeit ausgerichtet – in diesem Sinne ist Nachhaltigkeit auf der Produkteseite schon seit jeher in der DNA unserer Firma verankert. Natürlich hat sich in den letzten Jahren das Bewusstsein und damit der Stellenwert der Nachhaltigkeit deutlich geändert. Ungeachtet dessen gehört das Marktsegment Immobilien in der Schweiz nicht gerade zur Speerspitze der ESG-Berichterstattung. Die Swiss Finance & Property Group hat 2019 die Prinzipien für verantwortungsvolles Investieren der UNO (UNPRI) unterzeichnet und nun den ersten Bericht nach den GRI-Standards erarbeitet. Ich glaube nicht, dass wir spät dran sind. Im Gegenteil, im Cluster der mittelgrossen Unternehmen gehören wir zur ersten Hälfte, die einen ESG-Bericht vorlegen.

Wie kam es zum Entscheid, die Investmentstrategie ESG-konform zu gestalten? Gab es Druck von Investorenseite?

Adrian Murer: Die Initiative kam von uns. Natürlich wurde dies speziell im institutionellen Umfeld begrüsst. Von uns wird erwartet, dass wir unsere Produkte in voller Transparenz darstellen. Zudem beobachten wir die Anstrengungen und Anforderungen der EU in diese Richtung. Rein schon durch unsere Tätigkeit an der Schnittstelle zwischen Immobilienbranche und Finanzindustrie ergeben sich spezifische Themen mit Bezug zur Nachhaltigkeit. Unsere Branche kann viel bewirken – und dazu wollen wir als Unternehmen unseren Beitrag leisten.

Welche Vorteile bieten die ESG-Kriterien aus Ihrer Sicht?

Adrian Murer: Klar formulierte Ziele disziplinieren uns, unsere Strategie und Prozesse zu überdenken und zu optimieren. ESG-Kriterien fördern auch den Dialog zwischen Arbeitnehmenden und Arbeitgeber und stärken die kulturelle Verankerung mit dem Unternehmen. Ich bin überzeugt: Wenn wir ökologische Ziele sorgfältig definieren und die Umsetzung mit neuen Technologien vorantreiben, so führt das auch zu einem ökonomischen Mehrwert. Durch den Einbezug der Stakeholder in den Prozess können wir unsere Dienstleistungen noch besser auf die Kundenbedürfnisse ausrichten.

Wie wurde das ESG-Konzept erarbeitet?

Adrian Murer: Zuerst haben wir die wesentlichen Themen eruiert, anschliessend die Relevanz dieser Themen für die verschiedenen Anspruchsgruppen beurteilt. In einem dritten Schritt wurde ein «Impact Assessment» durchgeführt: Jedes Thema wurde im Hinblick auf die Auswirkungen auf Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft bewertet. In den Prozess waren Geschäftsleitung und Mitarbeitende aus allen Stufen eingebunden.

Wie viel Zeit benötigte dieser Prozess?

Adrian Murer: Wir hatten uns eine relative kurze Frist gesetzt und den Prozess in rund zehn Monaten umgesetzt. Wir betrachten diesen Bericht als erste Auslegeordnung bzw. Standortanalyse. Die Integration des ESG-Denkens in die Unternehmenskultur ist ein fortlaufender Prozess.

Wie sehen die ESG-Ziele genau aus?

Adrian Murer: Die Aufzählung aller Ziele würden den Rahmen hier sprengen. Ein Ziel ist beispielsweise die Halbierung der Treibhausgasemissionen bei den direkten Immobilien bis ins Jahr 2030. Ein anderes sind die Investitionen in erneuerbare Energiequellen. Im vierten Quartal werden die Ziele in Workshops weiter geschärft. Wir werden zum Beispiel den CO2-Absenkungspfad genau definieren. Zur Prüfung der Ziele brauchen wir zu- verlässige Datenquellen, welche teilweise noch nicht vorhanden sind. ESG-Kriterien zwingen uns, diese zu erheben.

Gibt es bereits konkrete Beispiele dafür, wie SFP die neuen Ziele umsetzt?

Adrian Murer: Es gibt viele Beispiele; ich nenne Ihnen zwei. Neben der bisher schon im Vordergrund stehenden CO2-Reduktion werden wir neu vermehrt ein Augenmerk auf die Entwicklung der Biodiversität in der Umgebung unserer Anlageobjekte legen. Dazu haben wir mit einem auf diesem Gebiet spezialisierten Gartenbauunternehmen mehrere Pilotprojekte erarbeitet, die wir demnächst inAngriff nehmen. Ziel ist es, die natürlichen Flächen so umzugestalten, dass sich die dauerhafte Artenvielfalt bei Pflanzen, Insekten und Vögeln mindestens verdoppelt. Bei unserer Anlagestiftung für indirekte Immobilien Ausland publizieren sämtliche Zielfonds ihre GRESB-Berichte und schaffen damit Transparenz. Das wollen wir auch für unsere indirekten Schweizer Produkte erreichen. Wie erwähnt, gibt der Schweizer Markt noch nicht die gleiche Transparenz her. Mit einem «Engagement-Ansatz» suchen wir den Dialog insbesondere mit jenen Akteuren, die noch keine ESG-Berichterstattung haben. Die Resultate sind erfreulich und wir setzen den eingeschlagenen Weg fort. Unserer Meinung nach wird es in zwei, drei Jahren keine Anbieter mehr geben, die sich keine messbaren ESG-Ziele gesetzt haben.

Die G-Komponente in den ESG-Kriterien umfasst vor allem eine verantwortungsvolle Unternehmensführung. Was heisst Corporate Governance für Sie persönlich?

Adrian Murer: Die SFP-Gruppe untersteht zahlreichen Gesetzen, die den Schutz ihrer Stakeholder, ihres sozialen Umfeldes und ihrer Umwelt zum Ziel haben. Die Einhaltung dieser Gesetze sowie unserer internen Weisungen und Richtlinien steht für mich an oberster Stelle. Eine starke Kontrollfunktion und unser Risikomanagement erlauben es, Fehler und Fehlentwicklungen zu entdecken und schnell zu korrigieren.

Sie sagten, SFP habe 2019 die UNPRI-Prinzipien für verantwortungsvolles Investieren unterzeichnet. Welche Auswirkungen hatte dies für Ihre Gesellschaft?

Adrian Murer: Wir werden 2021 zum ersten Mal rapportieren. Für uns war die Unterzeichnung eine Verpflichtung, dass wir diesen Weg gehen möchten. Ich erwarte, dass wir durch diesen Prozess Rückkoppe- lungen erhalten, die uns ermöglichen, unser Handeln nachhaltiger zu gestalten. Wir sehen dies als Ergänzung zur detaillierteren ESG-Berichterstattung.

Was planen Sie für die kommenden Monate? Sind Änderungen in der Strategie geplant?

Adrian Murer: Wir streben eine Schärfung einzelner Themen an, die Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit haben, und wollen unsere Produkte noch langfristiger gestalten. Zum jetzigen Zeitpunkt sind aber keine wesentlichen Strategieänderungen geplant.

Wie sehen Sie die Chancen, dass Investments, die ESG-Kriterien folgen, sich in einer wirtschaftlichen Abschwungphase, wie wir sie derzeit erleben, «flächendeckend» an Bedeutung gewinnen?

Adrian Murer: Ich denke, bereits seit einiger Zeit bestehende Trends – wie die Digitalisierung, flexibles Arbeiten und die Änderung des Einkaufsverhaltens – werden aktuell beschleunigt. Andere – wie etwa die Sharing-Kultur – wurden zumindest kurzfristig gebremst. Der Dialog mit unseren Stakeholdern ist daher das A und O, um auch in einer Abschwungphase optimal positioniert zu sein.

Sie erwähnten die Auslandsaktivitäten von Swiss Finance & Property. Im Zuge des Führungswechsels im Frühjahr hiess es, dass sich die Gründer des Unternehmens, Hans-Peter Bauer und Adrian Schenker, künftig auf den Aufbau des Auslandsgeschäfts konzentrieren wollen. Wie kommen sie damit voran?

Adrian Murer: Einzelne Projekte sind bereits weit fortgeschritten, andere wurden durch die Covid-19-Pandemie verzögert. Der eingeschlagene Weg wird aber ohne Zweifel weiterverfolgt. Als Nächstes wollen wir unsere Präsenz in Deutschland erhöhen. Über weitere konkrete Projekte kann ich hoffentlich dann in naher Zukunft berichten.

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